Der Studiengang „International Logistics Management“ der Hochschule Reutlingen schreibt in seinem Curriculum für das sechste Semester einen Auslandsaufenthalt vor, den ich erfreulicherweise in einem sehr interessanten Land verbringen kann: Südafrika. Ein Land, das sich in den letzten Jahren durch kontroverseste Meldungen einen ganz eigenen Ruf erarbeitet hat. Angefangen als britisches, bzw. niederländisches Kolonialland hat sich Südafrika bis in die 1990er-Jahre mit seinem Apartheid-System international unbeliebt gemacht. Als schließlich 1994 die ersten freien Wahlen abgehalten wurden und Nelson Mandela Präsident wurde, sollte vieles besser werden. Die Aufbruchsstimmung, die das Land damals ergriff, scheint heute allerdings wieder verflogen. Mandela wird zwar immer noch von fast allen als das Beste angesehen, was Südafrika seit langem passiert ist, aber so manch einer, weiß wie schwarz, wünscht sich alte Regelungen zurück. Dazu sei gesagt, dass in ganz Südafrika circa 10% der Bevölkerung weiß sind. Die internationale Öffnung hat der Wirtschaft zwar anfangs gut getan, doch mittlerweile stagniert sie in vielen Sektoren und die Perspektive fehlt. Zum Beispiel das ehemalige Beinahe-Monopol, das Südafrika auf Diamanten hatte, wurde zum Ende der Apartheid durch eine Überflutung des Weltmarktes und den darauffolgenden Preissturz ruiniert und die Branche war nicht annähernd so lukrativ wie sie hätte sein können. So kann man sich auch viele andere Bereiche der Wirtschaft oder auch Regionen des Landes anschauen.

Ich studiere dieses Semester an der Nelson Mandela Metropolitan University in Port Elizabeth, was in der Provinz „Eastern Cape“ liegt. Der Präsident von Südafrika, Jakob Zuma, ist mittlerweile bekannt für seine Günstlingswirtschaft, einen korrupten Regierungsstil und eifriges in-die-eigene-Tasche-wirtschaften. Er gehört außerdem zum Volk der Zulu, das in der Provinz „kwaZulu-Natal“ beheimatet ist, während im Eastern Cape das Volk der Xhosa wohnt. Xhosa und Zulus sind Nachbarn und haben sich noch nie gut verstanden (anscheinend sind die Zulu den Xhosa zu stur und die Xhosa den Zulu zu listig), was dazu führt das Jakob Zuma seit Amtsantritt das Eastern Cape bei u.a. wirtschaftlicher Förderung konsequent ignoriert. Mittlerweile ist die Provinz trotz Touristenattraktionen wie „Garden Route“, „Sunshine Coast“ und der viertgrößten Metropole des Landes die ärmste in ganz Südafrika.

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Seit 1994 hat sich aber auch eine neue Art Mittel- und Oberschicht entwickelt, die schwarz-weiß gemischt ist und innovativ und fortschrittlich wäre, wäre da nicht oben genannte Korruption und andere Hindernisse. Der Großteil der Bevölkerung lebt nichtsdestotrotz immer noch entweder als Selbstversorger auf dem Land oder in den sog. Townships, die sich als halbformelle und informelle Siedlungen um und in die Städte reinschlängeln. Das ist auch der Ort, an dem kürzlich die Ausbrüche der „Xenophobia“, teilweise auch „Afrophobia“ genannt, stattfanden. Die armen, fast ausschließlich schwarzen, Arbeiter in den Townships hegen einen erstaunlichen Hass auf afrikanische Einwanderer der gleichen Klasse. Nigerianische, Botswanische, Kenyanische, aber auch Pakistanische (ich weiß, die sind keine Afrikaner) Ladenbesitzer werden verfolgt, weil sie angeblich den Einheimischen die Jobs wegnehmen. So verschreckt das Land langsam aber sicher nicht nur Flüchtlinge oder „Asylanten“ anderer afrikanischer Staaten, sondern auch gebildete Migranten aus westlichen oder asiatischen Ländern.

Mitten in dieser chaotischen Häufung von Problemen erlebe ich also ein hochspannendes, aber dennoch traumhaft schönes Auslandssemester. Denn trotz aller Probleme, hat das Land von Safaris über Djungel und Küstenlandschaften, bis zu Hochgebirgen und pulsierenden Großstädten alles zu bieten, was das Herz begehrt, und man kann für günstiges Geld sicher und schön wohnen, genießerisch essen und traumhaft reisen!

Nemo (XXX, X, XX)